Patientenleitlinien Demenz (Stand 2005) (mit Zustimmung der Herausgeber der Universität Witten/Herdecke) .
Einen kleinen Einstieg zum Thema Demenz finden Sie u.a. auf Onmeda.de“
Gliederung der Kapitel:
2. Warum bekommt man eine Demenz?
2.2 Wie häufig ist die Demenz?
2.3 Ist die Demenzkrankheit vererbbar?
3. Wie sieht der Krankheitsverlauf der Demenz aus?
4.2 Warum ist eine frühe Erkennung der Erkrankung (Diagnose) wichtig?
4.3 Welche Untersuchungsmöglichkeiten gibt es?
4.4 Wie erfährt der Betroffene von seiner Erkrankung?
4.5 Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
4.5.2 Welche Medikamente werden bei der Demenzerkrankung eingesetzt?
4.5.3 Was hilft bei problematischen Verhaltensweisen, die eher im seelischen Bereich liegen?
4.5.4 Welche Medikamente werden bei problematischen Verhaltensweisen eingesetzt?
5. Was kann ich als Angehöriger tun?
5.2 Worauf ist bei der persönlichen Pflege und Hygiene von Demenzkranken zu achten?
5.3 Wie redet man über Demenz?
5.4 Welche Hilfen gibt es für die Familie?
5.5 Wie werden die Hilfen finanziert?
5.6 Welche rechtlichen Probleme können auftreten?
5.7 Was kann man im Notfall tun?
Einleitung
Diese Patienteninformation richtet sich an Menschen, die Demenzkranke begleiten und pflegen oder selber an Demenz erkrankt sind. Sie soll dazu beitragen, Ursachen, Frühzeichen, typische Krankheitszeichen und Verhaltensänderungen sowie Untersuchungs- und Behandlungsmöglichkeiten der Demenz kennen zu lernen bzw. besser zu verstehen.
Gerade bei Zerstreutheit, Vergesslichkeit oder Wesensveränderungen wird oft gefragt, ob es sich um normale Erscheinungen des Älterwerdens oder Zeichen einer Erkrankung handelt, die behandelt werden muss.
Mehr als andere Erkrankungen konfrontiert die Demenz Betroffene und Angehörige mit Veränderungen, die vor allem das Verhalten und die Persönlichkeit betreffen. Der Verlust von besonderen geistigen Fähigkeiten führt dazu, dass Demenzkranke sich im Alltag nicht mehr zurechtfinden. Sie durchschauen ihr eigenes Handeln nicht mehr oder vergessen, was sie Minuten vorher gesagt oder getan haben. Für Angehörige stellt das eine große Herausforderung dar. Sie haben pflegerische Aufgaben zu leisten, für die sie nicht ausgebildet worden sind, oft in einem Umfeld, dass ihnen bei dieser Aufgabe wenig Unterstützung bietet. Schließlich müssen sie Abschied nehmen von einem geliebten Menschen. Dieser Belastung kann auf Dauer niemand ohne Unterstützung und Entlastung standhalten.
In diesem Sinne soll die vorliegende Patientenleitlinie – zusätzlich und ergänzend zum Arztgespräch – Hilfen, Anregungen und Antworten auf wichtige Fragen geben.
Um den Text lesefreundlich zu gestalten, verzichten wir auf die Benennung von (Berufs-) Bezeichnungen sowohl in weiblicher als auch in männlicher Form. Wenn also vom “behandelnden Arzt” die Rede ist, meinen wir damit stets die weibliche Ärztin wie auch den männlichen Arzt.
Die Inhalte dieser Patientenleitlinie basieren auf einer Leitlinie für Ärzte, die unter www.evidence.de zu finden ist. Beide Leitlinien werden von einem unabhängigen Expertenteam anhand wissenschaftlicher Studien erstellt und regelmäßig aktualisiert. Eine Liste der zu Grunde liegenden Studien und Referenzen finden Sie hier.
Dieses Dokument wurde zuletzt 05/2005 überarbeitet.
1. Was ist eine Demenz?
Demenz ist ein Überbegriff für eine Vielzahl von Erkrankungen. Allen Unterformen der Demenz ist gemeinsam, dass sie zu einem Verlust besonderer geistiger Fähigkeiten (Intelligenz) führen. Typisch ist eine Verschlechterung der Gedächtnisleistungen, des Denkvermögens, der Sprache und des praktischen Geschicks, jedoch keine Trübung des Bewusstseins. Diese Veränderungen haben zur Folge, dass Menschen mit Demenz ihre alltäglichen Aufgaben nicht mehr ausführen können.
Die Demenz ist keineswegs eine normale Alterserscheinung, die jeden mehr oder minder betrifft, sondern eine Erkrankung, die typischerweise im Alter auftritt.
Die Ursachen der Demenzerkrankung sind vielfältig. Rund 1 Million Menschen leiden allein in Deutschland an einer Demenzerkrankung. 700.000 davon sind an Alzheimer Demenz erkrankt, bei der in bestimmten Bereichen des Gehirns allmählich Nervenzellen zu Grunde gehen. Bei etwa 200.000 Demenzkranken wird das Gehirn durch Durchblutungsstörungen dauerhaft geschädigt (vaskuläre Demenz). Seltenere Formen und Mischformen machen den verbliebenen Anteil aus (s.u.).
1.1 Alzheimer Demenz:
Die Alzheimer Demenz wurde von dem bayrischen Nervenarzt Alois Alzheimer Anfang des 20. Jahrhunderts genau untersucht und 1907 erstmals als eigenständige Erkrankung beschrieben. Die genaue Ursache der Alzheimer-Krankheit ist bisher nicht bekannt. Wenn Alzheimer-Patienten erstmals durch massive Vergesslichkeit auffallen, dann hat das Gehirn meist schon eine über Jahre währende, schleichende Veränderung hinter sich. Unbemerkt sterben im Gehirn die Nervenzellen und ihre Verbindungen ab. Der Zerfall beginnt im Gehirn an Orten, die mit Gedächtnis und Informationsverarbeitung zu tun haben. Hier wird Erlerntes (alte Informationen) mit Sinneseindrücken (neuen Informationen) vernetzt. Durch den Verlust an Nervenzellen und Botenstoffen können die eintreffenden neuen Sinneseindrücke nicht mehr richtig verarbeitet und mit dem bereits Gelernten nicht mehr sinnvoll verknüpft werden. Ein wichtiger Botenstoff, der bei der Alzheimererkrankung in zu geringen Mengen produziert wird, ist das Acetylcholin (siehe auch 4.5.2 Cholinesterase-Hemmer).
In Zukunft wird man vielleicht, dank der Alzheimer-Forschung, ein besseres Verständnis über Krankheitsursachen und Behandlungsmöglichkeiten haben. Geforscht wird zurzeit an Fragen zu genetischen (also im Erbgut angelegten) Einflüssen, Ablagerungen kleiner, störender Partikel (Beta-Amyloid) in bestimmten Gehirnbereichen, dem Einfluss von Hormonen (v.a. des weiblichen Geschlechtshormons Östrogen), Mangel an Botenstoffen (=Neurotransmitter) und Entzündungsprozessen im Gehirn.
1.2 Vaskuläre Demenz:
Diese Form der Demenz wird durch viele kleine, zum Teil unbemerkte Schlaganfälle verursacht. Dadurch kommt es zu einer Unterbrechung der Durchblutung bestimmter Hirnbereiche. Diese betroffenen Gehirnabschnitte sind besonders für die Kontrolle des Gedächtnisses, der Sprache und der Lernfähigkeit verantwortlich. Obwohl sich die von Person zu Person und über die Zeit hinweg erheblich unterscheiden können, treten bei den meisten Betroffenen Sprachprobleme, Stimmungsschwankungen, epileptische Anfälle und Lähmung einer Körperhälfte oder der Arme und Beine auf. Schlaganfall und Herzinfarkt entstehen durch eine dauerhafte Schädigung der Blutgefäße. Negative Umstände oder Verhaltensweisen, die die Entstehung bzw. das Fortschreiten dieser Erkrankungen vorantreiben (so genannte Risikofaktoren), sind:
- Deutlich erhöhte Blutfette (Cholesterin),
- Rauchen,
- Zuckerkrankheit (Diabetes),
- Bluthochdruck,
- Fettleibigkeit (Adipositas) und
- Bewegungsmangel.
9 von 10 Demenzkranken leiden an der Alzheimer Demenz oder der vaskulären Demenz. Aus diesem Grunde beschränkt sich diese Patienteninformation im Wesentlichen auf diese beiden Erkrankungen.
1.3 Weitere Demenzformen:
Neben der Alzheimer Demenz und der vaskulären Demenz gibt es weitere Erkrankungen, die mit demenzähnlichen Krankheitszeichen einhergehen. Bei diesen eher seltenen Erkrankungen wird das Gehirn zwar in ähnlichen Bereichen, jedoch aus anderen Gründen beeinträchtigt. Insgesamt sind bisher ca. 50 Erkrankungen bekannt, die eine Demenz auslösen oder vortäuschen können.
Demenz und Alkohol
Durch eine Alkoholkrankheit wird auch das Gehirn geschädigt. Als Zeichen der Schädigung treten herabgesetztes Erinnerungsvermögen, eingeschränkte Planungs- und Handlungsfähigkeit und zeitweise enthemmtes Verhalten auf. Im Endstadium kann sich daraus eine demenzähnliche Erkrankung entwickeln (Wernicke-Korsakow-Syndrom).
Demenz und Parkinsonkrankheit
3 von 10 Demenzkranken leiden unter steifen Bewegungen, wie wir sie von der Parkinsonkrankheit kennen. Dies bedeutet jedoch nicht, dass bei den Betroffenen zusätzlich eine Parkinsonkrankheit aufgetreten ist. Bei der Parkinsonkrankheit treten die steifen Bewegungen (Rigor) typischerweise gemeinsam mit einem unwillkürlichen, rhythmischen Zittern der Hände (Tremor) und einer allgemeinen Bewegungsstarre (Akinese) auf, was für Demenzkranke eher untypisch ist.
Eine Parkinsonerkrankung mit besonders schwerem Verlauf kann aber das Gehirn so verändern, dass bei Betroffenen demenzartige Krankheitszeichen auftreten.
Lewy-Body-Demenz
Bei dieser seltenen Demenzform werden Gehirnteile durch Ablagerungen von kleinen Eiweißteilchen (Lewy-Bodys) geschädigt. Durch die Ablagerungen kann das Gehirn in den betroffenen Bereichen nicht mehr richtig arbeiten. Die dadurch entstehenden Störungen treten allerdings nur phasenweise auf. Besonders Gedächtnis und Handlungsfähigkeit sind betroffen.
Morbus Pick
Unter Morbus Pick wird eine Gruppe von Demenzformen zusammengefasst, die alle durch einen Abbau von Nervenzellen im Stirn- und Schläfenbereich des Gehirns entstehen. Im Gegensatz zu anderen Demenzformen stehen hier Veränderungen der Persönlichkeit und des Sozialverhaltens (Antriebsminderung, Enthemmung) im Vordergrund. Praktisches Geschick und Gedächtnis bleiben zunächst relativ gut erhalten. Betroffene fallen also weniger durch „Vergesslichkeit“ als vielmehr durch „merkwürdige Verhaltensweisen“ auf.
2. Warum bekommt man eine Demenz?
2.1 Was sind die häufigsten Ursachen der Demenz?
Die Ursachen der Demenzerkrankung sind vielfältig. Rund 7 von 10 Demenzerkrankungen werden durch die Alzheimer-Krankheit hervorgerufen. Bei dieser Krankheit gehen auf noch ungeklärte Weise in bestimmten Bereichen des Gehirns allmählich Nervenzellen zu Grunde (siehe 1.1). Etwa zwei von zehn Demenzkranken sind auf Grund von Durchblutungsstörungen im Gehirn (vaskuläre Demenz) erkrankt (siehe 1.2). Bei den selteneren Sonderformen der Demenz kommt die Schädigung des Gehirns unter anderem durch Alkohol oder die Ablagerung kleiner, störender Eiweißteilchen in bestimmten Gehirnbereichen zustande.
2.2 Wie häufig ist die Demenzkrankheit?
Demenzerkrankungen treten überwiegend in der zweiten Lebenshälfte auf, in den meisten Fällen nach dem 65. Lebensjahr. In unserer heutigen Gesellschaft wächst die Wahrscheinlichkeit alt zu werden und mit zunehmendem Alter an einer Demenz zu erkranken. Manche Fachleute meinen, dies sei der „gesellschaftliche Preis“ für unsere höhere Lebenserwartung und so ruft der Begriff „Demenz“ ähnliche Ängste und Verdrängungsmechanismen wie „Krebs“ oder „AIDS“ hervor.
Mehr als die Hälfte der an Demenz Erkrankten leidet an der Alzheimer-Krankheit, das sind in Deutschland etwa 700.000 Menschen. Etwa einer von zehn der über 65-Jährigen, etwa zwei von zehn der über 80-Jährigen und bereits drei von zehn der über 90-Jährigen Menschen leiden an der Alzheimer-Krankheit.
Die Betroffenen und ihre Angehörigen teilen ihr Schicksal also mit vielen anderen.
Speziell die Alzheimer Demenz ist also eine Erkrankung des älteren Menschen; sie ist keine normale Alterungserscheinung.
Wenn man davon ausgeht, dass besonders die Zahl der Hochbetagten zunimmt und um 2030 jeder dritte Bundesbürger älter als 60 Jahre sein wird, kommt eine große Herausforderung auf pflegende Familien, Kostenträger, Altenpflege und auf unsere gesamte Gesellschaft zu.
2.3 Ist die Demenzkrankheit vererbbar?
Das Risiko, an Demenz zu erkranken, ist bei Verwandten ersten Grades etwas höher als in der übrigen Bevölkerung. Es kommt jedoch eher selten vor, dass in einer Familie mehrere Personen an Demenz erkranken (Ausnahme s.u.). Früherkennungsuntersuchungen für Verwandte ohne Krankheitszeichen werden bislang nicht empfohlen.
Auftreten bei jungen Erwachsenen: Eine bestimmte Form der Demenz kann bereits im frühen Erwachsenenalter auftreten. Betroffen sind Menschen zwischen dem 30. und 50. Lebensjahr. Diese Form der Alzheimer Demenz beruht auf einer Veränderung im Erbgut (Gene) und kann – muss aber nicht – an die Kinder weitergegeben werden. Deshalb ist es bei dieser im früheren Lebensalter auftretenden Form möglich, dass mehrere Familienmitglieder erkranken. Diese Form der Demenz ist zum Glück extrem selten.
3. Wie sieht der Krankheitsverlauf der Demenz aus?
3.1 Gibt es Warnhinweise?
Bei Demenzkranken nimmt nicht nur das Erinnerungsvermögen ab, sondern auch die Fähigkeit, klar zu denken und Zusammenhänge zu erfassen. Dadurch ändert sich das Verhalten der Betroffenen, und der Umgang mit Demenzkranken wird für die Angehörigen zu einer schwierigen Aufgabe. Es gibt typische Warnzeichen; treten gleich mehrere auf, sollte der Betroffene von einem Arzt untersucht werden.
10 Warnzeichen – (frühe Hinweise auf möglicherweise beginnende Demenz)
Vergesslichkeit mit Auswirkung auf die Arbeit:
Die meisten Menschen vergessen ab und an Namen oder Termine. Häufen sich diese Vorfälle und treten außerdem unerklärliche Verwirrtheitszustände auf, kann das ein Zeichen für eine Verminderung der Gedächtnisleistung sein.
Schwierigkeiten mit gewohnten Handlungen:
Menschen, die viel zu tun haben, sind manchmal zerstreut und vergessen z.B. den Topf auf dem Herd. Menschen mit Demenz vergessen evtl. nicht nur den Topf auf dem Herd, sondern auch, dass sie gekocht haben.
Sprachprobleme:
Die meisten Menschen haben manchmal Schwierigkeiten damit, die richtigen Worte zu finden. Menschen mit Demenz fallen oft einfache Worte nicht mehr ein, stattdessen verwenden sie unpassende Füllworte. Dadurch werden die Sätze schwer verständlich.
Räumliche und zeitliche Orientierungsprobleme:
Bei vielen Menschen kommt es ab und an vor, dass sie z.B. Wochentage vergessen oder sich in einer fremden Umgebung verlaufen. Bei Menschen mit Demenz kann es passieren, dass sie in der eigenen Straße stehen und nicht mehr wissen, wo sie sind, wie sie dorthin gekommen sind und wie sie wieder nach Hause gelangen.
Eingeschränkte Urteilsfähigkeit:
Nicht immer wählen Menschen die dem Wetter entsprechende Kleidung. Bei Menschen mit Demenz ist die gewählte Kleidung manchmal völlig unangebracht. Sie tragen z.B. einen Bademantel beim Einkaufen oder mehrere Blusen an einem heißen Sommertag übereinander.
Probleme mit dem abstrakten Denken:
Für viele Menschen ist es eine Herausforderung, ein Konto zu führen. Menschen mit Demenz können oft weder Zahlen einordnen noch einfache Rechnungen durchführen.
Liegenlassen von Gegenständen:
Ab und an lässt fast jeder mal den Schlüssel oder das Portemonnaie liegen. Bei Menschen mit Demenz kommt es jedoch vor, dass sie Gegenstände an völlig unangebrachte Plätze legen, wie z.B. ein Bügeleisen in den Kühlschrank oder eine Uhr in die Zuckerdose. Im Nachhinein wissen sie nicht mehr, wohin sie die Gegenstände gelegt haben.
Stimmungs- und Verhaltensänderungen:
Stimmungsänderungen kommen bei allen Menschen vor. Menschen mit Demenz können in ihrer Stimmung sehr abrupt schwanken, oft ohne erkennbaren Grund.
Persönlichkeitsänderungen:
Im Alter verändert sich bei vielen Menschen die Persönlichkeit ein wenig. Bei Menschen mit Demenz kann eine sehr ausgeprägte Persönlichkeitsänderung plötzlich oder über einen längeren Zeitraum hinweg auftreten. Jemand, der normalerweise freundlich ist, wird z.B. unerwartet ärgerlich, eifersüchtig oder ängstlich.
Verlust der Eigeninitiative:
Menschen arbeiten nicht fortlaufend mit der gleichen Motivation. Demenzkranke verlieren den Schwung bei ihrer Arbeit und das Interesse an ihren Hobbys manchmal vollständig, ohne Freude an neuen Aufgaben zu finden.
3.2 Welche Krankheitsstadien gibt es bei der Alzheimer Demenz?
Mit dem Fortschreiten der Erkrankung ändert sich auch das Erscheinungsbild der Alzheimer Demenz. Die Veränderungen und der gesamte Verlauf sind bei jedem Patienten ein bisschen anders. Trotzdem kann man bei fast allen Betroffenen drei Krankheitsstadien mit relativ typischen Krankheitszeichen unterscheiden.
Frühes Stadium:
Die Veränderungen beginnen in diesem frühen Stadium häufig mit Störungen des Kurzzeitgedächtnisses. Menschen, die davon betroffen sind, können sich unter Umständen an Gespräche, Handlungen oder eigene Überlegungen schon nach kurzer Zeit nicht mehr erinnern. Fragen wiederholen sich, Vereinbarungen werden vergessen, der Herd bleibt eingeschaltet. Zugleich bestehen häufig Schwierigkeiten, eigene Gedanken und Wahrnehmungen in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen. Anspruchsvolle Tätigkeiten können nicht mehr ausgeübt werden. Ein solches Nachlassen der Leistungsfähigkeit fällt am Arbeitsplatz in der Regel schneller auf als in häuslicher Umgebung.
Bei den meisten Betroffenen verliert gleichzeitig die Sprache an Präzision. Typisch ist, dass Betroffene sich an bestimmte Worte nicht erinnern können und stattdessen andere unpassende Worte oder Redewendungen benutzen; manchmal lässt sich der Sinn noch herleiten, wenn z.B. Buch statt Zeitung gesagt wird. Häufig werden auch Füllwörter wie “Dings” oder “du weißt schon” gebraucht. Oft verbergen sich aber auch hinter einem scheinbar normalen Redefluss unsinnige Inhalte.
Mittleres Stadium:
Die Frühzeichen prägen sich in diesem Stadium noch stärker aus. Der voranschreitende Verlust des Gedächtnisses und die Beeinträchtigung des Denkvermögens machen die Erkrankten unselbstständig und von fremder Hilfe abhängig. Betroffene finden sich zuerst in fremder und schließlich auch in vertrauter Umgebung nicht mehr zurecht und sind auf Unterstützung im Bad, auf der Toilette, beim An- und Auskleiden und bei den Mahlzeiten angewiesen. Auch die Veränderungen der Sprache schreiten weiter voran. Sätze ergeben keinen Sinn mehr und Antworten stehen inhaltlich häufig in keinem Zusammenhang zur gestellten Frage. In diesem Stadium verblasst häufig auch die Erinnerung an weiter zurückliegende Ereignisse. Dies kann bis hin zum Verlust der Erinnerungen an die eigene Lebensgeschichte gehen. Es ist nicht verwunderlich, dass bei Menschen, die so radikal aus allen gedanklichen Zusammenhängen gerissen werden, Verhaltensauffälligkeiten wie grundlose Befürchtungen, ziellose Unruhe, Störungen des Tag-Nacht-Rhythmus und verminderte Beherrschung von Gefühlsreaktionen (z.B. grundlose Wutanfälle) auftreten (siehe 4.5.3). So kann es beispielsweise vorkommen, dass Betroffene nachts durch die Wohnung irren, dafür aber tagsüber nur dösen oder schlafen.
Spätes Stadium:
Hilfe ist nun bei allen Verrichtungen des täglichen Lebens nötig. Die Sprache beschränkt sich auf wenige Worte, die häufig nicht mehr sinnvoll eingesetzt werden können. Trotzdem können eigene Gefühle wahrgenommen und über nicht-sprachliche Ausdrucksmöglichkeiten (Weinen, Lächeln, aufgeregt sein) geäußert werden. Erst in diesem Stadium ist die Schädigung des Gehirns soweit fortgeschritten, dass auch der Körper nicht mehr richtig kontrolliert werden kann. Es kann zu Schluckstörungen, Krampfanfällen, Verlust der Kontrolle über die Körperhaltung und über die Blasen- und Darmfunktion kommen. Schluckstörungen können z.B. zu einer Entzündung der Atemwege führen, auch stürzen Demenzkranke öfters. Die meisten Menschen, die an Alzheimer erkranken, versterben im Spätstadium an einer Lungenentzündung.
In der Regel dauert jedes der 3 Krankheitsstadien etwa 3 Jahre. Das heißt, dass Menschen, die durch Frühzeichen auffallen, häufig noch ein Jahrzehnt leben. Die Alzheimer Demenz kann im Einzelfall jedoch auch rascher oder aber erheblich langsamer voranschreiten.
4. Beim Arzt
4.1 Wie stellt der Arzt fest, dass es sich um eine Demenz handelt?
Eine genaue Untersuchung des körperlichen und geistigen Zustands ist sehr wichtig. Nur so kann man sicher sein, dass es sich um eine Demenz handelt.
Demenzkranke sind häufig nicht in der Lage oder willens, einen Arzt aufzusuchen. Hier sind die Angehörigen gefragt – sie können den Betroffenen zum Arztbesuch ermutigen und ihre Schilderungen können helfen, die Krankengeschichte zu erheben.
Um andere Erkrankungen auszuschließen, sollten immer eine körperliche Untersuchung und eine Laboruntersuchung des Blutes durchgeführt werden. Anhand von Fragebögen (z.B. Mini-Mental-Status-Test) und leichten Übungsaufgaben (Uhrzeit-Zeichnen-Test) können Gedächtnisleistung, Denkvermögen und praktisches Geschick beurteilt werden. Viele Betroffene schätzen ihre Fähigkeiten falsch ein. Dies kann Scham und Hoffnungslosigkeit auslösen, wenn sogar leichte Übungen nur unzureichend gemeistert werden.
Um die Struktur (=die einzelnen Gehirnteile) und die Funktion (=die Arbeitsweise) des Gehirns zu beurteilen, kann man mit verschiedenen Methoden Bilder aufnehmen: CT oder MRT (=Computer- oder Kernspintomographie) zeigen das Gehirn in Schichten. Diese Untersuchungsmethoden können hilfreich sein, um Demenzursachen festzustellen. Welche Untersuchung in Ihrem oder im Falle Ihres Angehörigen sinnvoll ist, können Sie mit Ihrem Arzt besprechen.
Informieren Sie sich bei dem behandelnden Arzt über den Stand und die Ergebnisse der durchgeführten Untersuchungen und die möglichen Ursachen der Demenz. Lassen Sie sich nicht mit Worten wie „Na, das bringt das Alter mit sich, das gehört eben dazu“ abspeisen.
Es stimmt nicht, dass Altern zwangsläufig mit Gedächtnisstörungen und geistigen Problemen einhergeht. Falsch ist auch, dass sich eine genaue Untersuchung nicht lohnt, da „sowieso nichts gemacht“ werden kann. Wie bei jeder anderen Erkrankung, so sollte auch bei demenztypischen Krankheitszeichen erkannt werden, wodurch sie entstanden sind und wie sie am sinnvollsten behandelt werden können. In unklaren Situationen ist es für Angehörige möglich, fachliche Beratung zu suchen, sich etwa an eine Alzheimer-Beratungsstelle zu wenden, Adressen von Fachleuten in Erfahrung zu bringen, sich über rechtlich-finanzielle Hilfen zu informieren usw.
Fallen Veränderungen der Gedächtnisleistung, der Urteilskraft, der Bewältigung der täglichen Aufgaben, Veränderungen des Verhaltens und der Stimmung (siehe: 10 Warnhinweise) auf, so sollte möglichst frühzeitig ein Arzt aufgesucht werden.
4.2 Warum ist eine frühe Feststellung der Erkrankung (Diagnose) wichtig?
Sollten Sie mehrere der unter 3.1 beschriebenen Frühzeichen beobachtet haben, ist es wichtig, so früh wie möglich festzustellen, ob es sich um eine Demenz handelt, weil:
- einige seltenere Demenzformen geheilt werden können, z.B. Demenzen, die durch Depressionen, Medikamente, Schilddrüsenerkrankungen oder eine Vitamin-Unterversorgung bedingt sind.
- die Chance vergrößert wird, von den vorhandenen Behandlungsmöglichkeiten Gebrauch zu machen.
- die Unsicherheit genommen wird.
- mehr Zeit vorhanden ist, um für die Zukunft zu planen.
- im Bereich des Möglichen die Lebensqualität von Betroffenen und Angehörigen verbessert werden kann.
Hilfreiche Patientenangaben für den Arzt | Wichtig Fragen der Betreuenden an den Arzt über die Untersuchungen | Fragen an den Arzt über die Prognose (=wie geht es weiter?) |
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4.3 Welche Untersuchungsmöglichkeiten gibt es?
Es gibt keinen einzelnen Test, mit dem man die häufigste Form der Demenz, die Alzheimererkrankung, sicher feststellen kann. Eine bestehende Alzheimererkrankung wird anhand vieler unterschiedlicher Untersuchungen erkannt. Die Standardmethode umfasst eine sorgfältige Befragung des Betroffenen und der Angehörigen, eine körperliche Untersuchung und Tests zur Erfassung des Denkens, Verstehens und der Orientierung.
Erhebung der Krankengeschichte:
Hier stellt der Arzt Fragen über akute körperliche und geistige Veränderungen, eingenommene Medikamente, Vorerkrankungen und in der Familie des Betroffenen vorkommende häufige Erkrankungen. Auch Angehörige werden nach ihren Beobachtungen gefragt.
Beurteilung der Leistungsfähigkeit des Gehirns:
Aufgaben, in denen der Betroffene zu alltäglichen Dingen (z.B. Ort und Datum) befragt wird, einfache Rechenaufgaben lösen oder Geschicklichkeit demonstrieren muss, zeigen, ob Orientierungsfähigkeit, Gedächtnis oder praktisches Geschick beeinträchtigt sind. Sinnvoll sind z.B. der Mini-Mental-Status-Test oder der Uhrzeit-Zeichnen-Test. Ihr Arzt kann aber auch andere Tests einsetzen.
Körperliche Untersuchung:
Der Arzt beurteilt den Ernährungszustand, schaut nach Verletzungen und erfasst den Blutdruck und die Pulse.
Neurologische Untersuchung (Untersuchung des Nervensystems):
Durch eine gründliche neurologische (= das Nervensystem betreffende) Untersuchung sollen Ursachen der Demenz im Bereich des Nervensystems und des Gehirns ausgeschlossen werden. Ein Computertomogramm (CT) oder Magnetresonanztomogramm (MRT) können hier hilfreich sein (siehe oben).
Laboruntersuchungen:
Blut- und Urinuntersuchungen können Hinweise auf seltene, behandelbare Ursachen einer Demenz geben.
4.4 Wie erfährt der Betroffene von seiner Erkrankung?
Jeder Mensch in Deutschland hat das Recht, über seine Erkrankung aufgeklärt zu werden, das gilt auch dann, wenn dies schwer zu verkraften ist, wie z. B. bei Krebs oder AIDS. Wird dem Erkrankten eine offene Aussprache verweigert, nimmt man ihm die Chance, sich mit seiner Situation und der verbleibenden Zeit auseinander zu setzen und selbst Entscheidungen für die Zukunft treffen zu können. Dies ist bei einer Demenzerkrankung besonders wichtig, da ein Gespräch in einem fortgeschrittenen Stadium unter Umständen nicht mehr möglich ist.
Prominentes Beispiel für den offenen Umgang mit der Demenz ist der ehemalige Präsident der USA, Ronald Reagan, der sich nach der (frühen) Diagnosestellung (Feststellung der Erkrankung durch den Arzt) öffentlich zu seiner Erkrankung bekannt hat. Auch der Schauspieler Charlton Heston leidet unter der Alzheimer Erkrankung.
Trotzdem werden die Feststellung der Erkrankung (Diagnosemitteilung) und die Besprechung der Ergebnisse mit dem Betroffenen im Fall der Demenz noch sehr unterschiedlich gehandhabt. Zurzeit besteht die Auffassung, dass jeder Patient, je nach Krankheitsstadium und Persönlichkeit, Recht auf Wissen, aber auch auf Nichtwissen hat. Es kann also auch sinnvoll sein, nicht alles auf einmal zu erklären und sich zu erkundigen, ob der Betroffene mehr wissen möchte. Grundsätzlich gilt: Die Aufklärung der Angehörigen darf nur mit Einverständnis des Patienten erfolgen.
4.5 Welche Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
4.5.1 Welche nicht-medikamentösen Behandlungsmöglichkeiten gibt es?
Es gibt unabhängig von Medikamenten viele förderliche Bedingungen, die die Situation des Erkrankten und seiner Angehörigen erleichtern können – diese Bedingungen liegen einerseits im Bereich der Pflege und andererseits in der Gestaltung des häuslichen und sozialen Umfeldes (siehe 5). Dazu gehören körperliche und geistige Anregung, die auch durch bestimmte Behandlungsmethoden (siehe Empfehlungskasten) erreicht werden können. Alltagsnahes Trainieren einfacher Fähigkeiten ist Erfolg versprechend und kann das Leben für alle Beteiligten erleichtern. Wünschenswert wäre, dass Fachkräfte wie Ärzte, Apotheker, Pflegekräfte, Sozialarbeiter, aber auch Krankengymnasten und Ergotherapeuten (=Beschäftigungstherapeuten) frühzeitig mit Rat und Tat zur Seite stehen. Probleme wie Blasenschwäche (Harninkontinenz), Wundliegen (Dekubitus) (siehe auch Patientenleitlinie Vorbeugen von Wundliegen) und Schwierigkeiten beim Essen und Schlucken stellen Angehörige vor große Probleme, bei denen sie Unterstützung benötigen.
Diese so genannten nicht-medikamentösen Maßnahmen können in allen Stadien der Demenz eingesetzt werden. Sie sind hilfreich für Angehörige und Patienten und nicht durch Medikamente ersetzbar.
Behandlungsmethoden aus den Bereichen Physiotherapie, Ergotherapie und Logopädie können bei Demenz hilfreich sein. Bei der Physiotherapie (=Krankengymnastik) werden Bereiche des Verhaltens und Erlebens, die bei Patienten betroffen sind, positiv beeinflusst. Bei der Ergotherapie (=Beschäftigungstherapie) ist das Ziel die größtmögliche Selbstständigkeit im Alltagsleben. Hier werden Hilfen im Umgang mit Hilfsmitteln, z.B. auch Beratung zur Anpassung der Wohnung, vermittelt. Die Therapie bei Sprach-, Sprech- oder Stimmstörungen wird “Logopädie” genannt.
Folgende Behandlungsmöglichkeiten wurden aus den oben genannten Bereichen speziell für Demenzkranke entwickelt. Viele der Übungen für Gedächtnis und Merkfähigkeit – aber auch zu alltäglichen Situationen und Handgriffen – sind besonders Erfolg versprechend, wenn sich die Betroffenen während der Übungen körperlich bewegen. Insgesamt sollten beim Patienten die Fähigkeiten gefördert werden, die am besten erhalten sind.
Name der Behandlungs methode |
Methode und Behandlungs (=Therapie) -ziel | Voraussetzungen | |
Gedächtnistraining (Memory-Training, Gehirn-Jogging) |
Hier werden Konzentrationsübungen, Merkspiele und Übungen zur geistigen Beweglichkeit angeboten. Häufig als spielerisches Training in der Gruppe. Das Programm sollte individuell abgestimmt sein, um Überforderung und Frustration zu vermeiden. |
Nur zu Beginn der Krankheit zu empfehlen. Die Merkfähigkeit darf noch nicht zu stark abgenommen haben. | |
Musiktherapie | Gemeinsames Singen, Musizieren, Tanzen. Musiktherapie hilft den Betroffenen, u.a. eigene Gefühle und Probleme ohne Worte auszudrücken. | Kann auch im fortgeschrittenen Stadium angewandt werden. | |
Selbst-Erhaltungs- Training (SET) |
Erhaltung des Wissens um die eigene Persönlichkeit, z.B. durch alte Fotos oder Geschichten aus dem eigenen Leben. | Bis zum mittleren Stadium anwendbar. | |
Realitäts orientierungs- Training (ROT) |
Hier werden Betroffenen durch Angehörige oder Pflegende Orientierungshilfen gegeben, indem z.B. an Datum (oder Jahreszeit), Tageszeit und Ort erinnert wird. Dieses Training kann auch in Gruppenstattfinden. | Nur im frühen Stadium sinnvoll. | |
Erinnerungs- therapie (Remineszenz- Therapie) |
Erinnerungen können durch alte Fotografien oder bekannte Musikstücke wieder aufleben und bei den Betroffenen – einzeln oder in Gruppen – die geistige Anregung fördern. | Das Langzeitgedächtnis, also die Erinnerungen an länger zurück liegende Ereignisse, muss erhalten sein. | |
Milieutherapie | Ganzheitlicher Ansatz für die Betreuung Demenzkranker. Dazu gehören Arbeiten mit dem Betroffenen (Biographiearbeit, Förderung des Selbstwertgefühls), seinen Angehörigen und Betreuern (Beratung, Schulung, praktische Entlastung durch Tageskliniken), seinem häuslichen Umfeld (Wohnungsanpassung und Hilfsmittelnutzung) und Hilfen, die auf mehreren Ebenen ansetzen, wie das Entwickeln eines für alle Beteiligten günstigen Tagesablaufes. | Keine Einschränkungen. | |
Snoezelen (das Wort wurden aus den holländischen Begriffen snuffelen = schnüffeln, schnuppern und doezeleln = dösen, schlummern gebildet) |
Gerade in Stadien, in denen der Umgang mit der Sprache schwierig wird, können Patienten über die Sinne, d.h. über das Hören, Riechen, Sehen, Schmecken und Fühlen sowohl entspannt als auch angeregt werden. | Keine Einschränkungen. |
4.5.2 Welche Medikamente werden bei der Demenzerkrankung eingesetzt?
Obwohl etliche Arzneimittel gegen nachlassende Gedächtnisleistung erhältlich sind, bleibt dennoch die Zahl der sinnvollen Mittel begrenzt. Dafür gibt es verschiedene Gründe: zum einen ist die Wirkung nicht immer überzeugend nachgewiesen, zum anderen kann das Auftreten von Nebenwirkungen die Lebensqualität der Patienten unter Umständen stark beeinträchtigen.
Die im Folgenden genannten Medikamente werden bei der Therapie zur Verbesserung der Gedächtnisleistung mit unterschiedlichem Erfolg eingesetzt:
Medikamente, die im frühen und mittleren Stadium der Alzheimer Demenz eingesetzt werden:
Bei der häufigsten Demenzform, der Alzheimer-Erkrankung, gehen fortlaufend – zunächst meist über mehrere Jahre unbemerkt – Nervenzellen im Gehirn verloren. Die Ursache hierfür ist noch nicht bekannt. Mit den heute eingesetzten Medikamenten versucht man lediglich, das Voranschreiten der Erkrankungen zu bremsen. Dadurch können Betroffene aber – für einen bestimmten Zeitraum – an Lebensqualität gewinnen.
Bei der Verarbeitung von Sinneseindrücken und der Vernetzung von neuem und altem Wissen spielt der Botenstoff Acetylcholin im Gehirn eine wichtige Rolle. Die Tatsache, dass Denkvermögen und Merkfähigkeit bei Demenzkranken nachlassen, hängt auch mit einer Verminderung dieses Botenstoffes zusammen. Medikamente, die im frühen und mittleren Stadium der Alzheimer Demenz eingesetzt werden, haben eine gemeinsame Wirkungsweise: Das Enzym Cholinesterase, welches den Botenstoff Acetylcholin abbaut, wird gehemmt. Dadurch steigt die Menge des bei Alzheimer Demenz verminderten Acetylcholin im Gehirn. Wegen ihrer Wirkweise werden diese Medikamente auch Cholinesterasehemmer genannt (siehe auch 1). Durch ihren Einsatz versucht man das Fortschreiten der Erkrankung aufzuhalten. Es gibt Patienten, die gut, weniger gut oder gar nicht auf diese Substanzen reagieren. Die Gründe dafür sind bisher nicht bekannt. Eine Therapie sollte deshalb immer nur in enger Abstimmung von Arzt, Patient und Angehörigen begonnen werden. In schweren Demenzstadien bringen diese Medikamente keinen nachweisbaren Nutzen mehr, sondern können durch ihre Nebenwirkungen eher schaden. Zu der Gruppe der Cholinesterasehemmer gehören folgende drei Wirkstoffe:
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Donepezil (z.B. Aricept®)
Es gibt für Donepezil eine Reihe von Belegen dafür, dass sich bei Demenzkranken, die diesen Wirkstoff einnehmen, die Hirnleistungsfähigkeit verbessert. Zudem gibt es Studien, die einen positiven Einfluss auf die Alltagsfähigkeiten beschreiben. Der Mangel am Botenstoff Acetylcholin im Gehirn kann zumindest teilweise und vorübergehend ausgeglichen werden.
Häufigste Nebenwirkungen und Dosierung: Bei 10 – 17 % der Patienten treten Nebenwirkungen wie Übelkeit, Durchfall und Erbrechen auf. Donepezil wird üblicherweise einmal täglich in Tablettenform (10 mg) eingenommen.
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Galantamin (z.B. Reminyl®)
Auch für Galantamin gilt: es gibt eine Reihe von Belegen dafür, dass sich bei Demenzkranken, die diesen Wirkstoff einnehmen, die Hirnleistungsfähigkeit verbessert. Zudem gibt es Studien, die einen positiven Einfluss auf die Alltagsfähigkeiten beschreiben. Der Mangel am Botenstoff Acetylcholin im Gehirn kann zumindest teilweise und vorübergehend ausgeglichen werden.
Häufigste Nebenwirkungen und Dosierung: Bei 13-17 % der Patienten wurde von Übelkeit, Erbrechen und Durchfall berichtet. Galantamin wird üblicherweise ein- bis zweimal täglich in Tablettenform (16-24 mg) eingenommen.
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Rivastigmin (z.B. Exelon®)
Auch für Rivastigmin gilt: es gibt eine Reihe von Belegen dafür, dass sich bei Demenzkranken, die diesen Wirkstoff einnehmen, die Hirnleistungsfähigkeit verbessert. Zudem gibt es Studien, die einen positiven Einfluss auf die Alltagsfähigkeiten beschreiben. Der Mangel am Botenstoff Acetylcholin im Gehirn kann zumindest teilweise und vorübergehend ausgeglichen werden.
Häufigste Nebenwirkungen und Dosierung: Es treten Magen-Darm-Störungen auf: Bei 27-35 % der Patienten wurden Übelkeit, Durchfall und Erbrechen beobachtet. Rivastigmin wird üblicherweise zweimal täglich in Tablettenform (6-12 mg) eingenommen.
Grundsätzlich gilt für die Gruppe dieser Cholinesterasehemmer: Um die Nebenwirkungen möglichst gering zu halten, sollte die Behandlung mit kleinen Mengen (“einschleichend”) begonnen und dann langsam gesteigert werden.
Es ist wichtig zu wissen, dass die soeben beschriebenen drei Medikamente im fortgeschrittenen Stadium der Demenz nicht mehr wirken. Sie sollten dann auch nicht eingesetzt bzw. sie sollten abgesetzt werden, wenn dieses Stadium erreicht wird. Bei Nebenwirkungen, die den Betroffenen stark beeinträchtigen, muss man Nutzen und Schaden gut abwägen und ggf. auf eine weitere Einnahme des Medikaments verzichten. Diese Überlegungen sollten Sie jedoch immer gemeinsam mit Ihrem Arzt anstellen.
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Medikamente, die im mittleren bis fortgeschrittenen Stadium der Alzheimer Demenz eingesetzt werden:
Memantine (z.B. Axura®, Ebixa®)
Dieser Wirkstoff beeinflusst einen anderen Botenstoff im Gehirn: das Glutamat. Damit kann eine leichte Verbesserung der alltäglichen Fähigkeiten erreicht werden. Sinnvoll erscheint der Einsatz bei fortgeschrittenerer Demenzerkrankung.
Auch hier beginnt man (wie bei den Cholinesterasehemmern) die Behandlung mit kleinen Mengen, die dann langsam gesteigert werden, um die Nebenwirkungen so gering wie möglich zu halten.
Nebenwirkungen und Dosierung:
Die häufigsten Nebenwirkungen sind: Schwindel, innere und körperliche Unruhe und Übererregbarkeit. Memantine wird üblicherweise zweimal täglich in Tablettenform (10-20 mg) eingenommen.
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Medikamente, die bei vaskulärer Demenz eingesetzt werden:
Da die vaskuläre Demenz durch viele kleine Schlaganfälle (die möglicherweise unbemerkt bleiben) ausgelöst werden kann, setzt man hier Medikamente ein, die einem erneuten Schlaganfall vorbeugen sollen (so genannte Sekundärprophylaxe). Dies kann man erfolgreich mit Wirkstoffen erreichen, die eine Gerinnung des Blutes bzw. die Verklumpung von Blutplättchen (Thrombozyten) hemmen und damit der Bildung von Blutgerinnseln und Schlaganfällen entgegen wirken (blutgerinnungshemmende Wirkstoffe). Noch wichtiger ist aber die Bekämpfung von gefäßschädigenden Risikofaktoren wie Rauchen, Bluthochdruck, Diabetes, Bewegungsmangel u.a.
Gerinnunghemmende (=“blutverdünnende“) Medikamente
Acetylsalicylsäure (ASS, z.B. Aspirin®)
Der bekannteste und am besten erforschte Wirkstoff dieser Gruppe ist Acetylsalicylsäure (=ASS, z.B. Aspirin®). Obwohl nicht ganz klar ist, ob ASS die Beschwerden der Demenz verbessern kann, ist jedoch nachgewiesen, dass es das Auftreten neuer Schlaganfälle (und damit auch das Voranschreiten der Gehirnschädigung bei vaskulärer Demenz) verhindert oder vermindert.
Häufigste Nebenwirkungen und Dosierung: Eine zu starke „Blutverdünnung“ kann zu Beschwerden des Magen-Darm-Traktes bis hin zu Magenblutungen und anderen Blutgerinnungsstörungen führen. ASS wird einmal täglich in Tablettenform eingenommen, üblicherweise in einer Dosierung von 75-375 mg pro Tag.
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Clopidogrel (z.B. Plavix®, Iscover®)
Auch der Wirkstoff Clopidogrel gehört zu den blutgerinnungshemmenden Wirkstoffen und kann – wie Ticlopidin – z.B. eingesetzt werden, wenn die Einnahme von ASS nicht vertragen wird. Seine Wirkung ähnelt der von ASS. Clopidogrel wird z.T. auch mit ASS kombiniert. Häufigste Nebenwirkungen und Dosierung: Es können Magen-Darm-Störungen auftreten, gelegentlich Kopfschmerzen. Clopidogrel wird üblicherweise einmal täglich in Tablettenform (75 mg) eingenommen.
Ticlopidin (z.B. Tiklyd®)
Auch der Wirkstoff Ticlopidin gehört zu den blutgerinnungshemmenden Wirkstoffen und wird – wie Clopidogrel – eingesetzt, wenn die Einnahme von ASS nicht vertragen wird. Seine Wirkung ähnelt der von ASS. Häufigste Nebenwirkungen und Dosierung: Es können Magen-Darm-Störungen auftreten, gelegentlich allergische Hautreaktonen. Es können schwerwiegende Blutbildveränderungen auftreten, daher muss das Blut in den ersten drei Monaten der Einnahme alle 14 Tage untersucht werden.Vor allem wegen dieser Nebenwirkungen raten viele Experten eher von einer Anwendung ab. Ticlopidin wird üblicherweise zweimal täglich in Tablettenform (250 mg) eingenommen.
Es wird vermutet, dass die Medikamente, die bei der Alzheimer Demenz helfen, auch für Patienten mit vaskulärer Demenz oder Mischformen sinnvoll sein könnten. Dies wird zurzeit noch getestet.
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Medikamente, deren Wirksamkeit nicht ausreichend nachgewiesen ist:
Bei folgenden Medikamenten sind die Fachleute nicht einheitlicher Meinung, wenn es darum geht, einen Einsatz bei Demenz zu empfehlen:
- Ginkgo biloba
- Nimodipin
- Piracetam
- Vitamine
- Arzneimittel der so genannten “besonderen Therapieformen”: pflanzliche, homöopathische und anthroposophische Mittel
- weitere Wirkstoffe
Ginkgo biloba
Die wissenschaftlichen Daten zu Ginkgo-Präparaten sind sehr widersprüchlich. So gibt es Untersuchungen, die einen Effekt auf die Hirnleistung zeigen. Ob diese Effekte sich aber im Alltag der Patienten spürbar positiv bemerkbar machen, ist in der Medizin umstritten. Häufigste Nebenwirkungen und Dosierung: Sehr selten treten Magen-Darm-Störungen oder Hautausschlag auf. Ginkgo-Extrakte können aber – insbesondere in Kombination mit gerinnungshemmenden Medikamenten (z.B. ASS, Marcumar, Heparin) – zu einer erhöhten Blutungsneigung führen. Deswegen sollte die Einnahme von Ginkgo-Präparaten immer mit dem behandelnden Arzt besprochen und abgewogen werden. Ginkgo wird üblicherweise zwei- bis dreimal täglich in Tabletten- oder Tropfenform eingenommen, die Gesamtdosis liegt in der Regel bei 240 mg Extrakt.
Nimodipin (z.B. Nimotop®)
Nimodipin wird bei Demenzformen eingesetzt, die durch Durchblutungsstörungen begünstigt werden. Es gibt jedoch auch hier keine überzeugenden Studien, die eine Besserung der Denkfähigkeit oder der Alltagsfähigkeiten beweisen würden. Häufigste Nebenwirkungen und Dosierung: Bekannte Nebenwirkungen sind Schwindel- oder Schwächegefühl, Blutdrucksenkung und die Änderung der Herzfrequenz. Nimodipin wird üblicherweise dreimal täglich in Tablettenform (30 mg) verabreicht.
Piracetam (z.B. Normabrain®)
Dem Medikament wird eine Verbesserung der Hirndurchblutung zugeschrieben. Es gibt jedoch keine überzeugenden Studien, die eine Besserung der Denkfähigkeit oder der Alltagsfähigkeiten beweisen würden. Häufigste Nebenwirkungen und Dosierung: Bekannte Nebenwirkungen sind geistige und körperliche Unruhe, Schlafstörungen und Magen-Darm-Beschwerden. Piracetam wird üblicherweise dreimal täglich in Tablettenform (800 mg) verabreicht, die maximale Tagesdosis liegt bei 4800 mg.
Vitamine
Vitamine sind lebenswichtige Stoffe, die dem Körper über die Nahrung zugeführt werden müssen, weil er sie nicht selber bilden kann. Bei einer ausgewogenen Ernährung, die u.a. reich an Obst und Gemüse ist, kann der tägliche Vitaminbedarf über die Nahrung gedeckt werden. Trotzdem hat sich der Trend durchgesetzt, Vitamine (im Sinne eines nebenwirkungsarmen Wundermittels) zum Teil in großen Mengen ohne fachlichen Rat einzunehmen. Dies kann (besonders bei den fettlöslichen Vitaminen A, D, E und K) – wie bei Arzneimitteln – zu unerwünschten Wirkungen führen. Vor allem folgende Vitamine sollen das Voranschreiten der Demenz bremsen und eine Verbesserung der Beschwerden im Alltag bewirken: Vitamin E (Tocopherol), Vitamin B1 (Thiamin), Vitamin B6 (Pyridoxin), Vitamin B12 (Cobalamin) und Folsäure. Diese Wirkung konnte aus wissenschaftlicher Sicht jedoch nicht bestätigt werden, manche Vitamine (in hoher Dosierung eingenommen) scheinen sogar eher zu schaden..
Arzneimittel der so genannten besonderen Therapierichtungen wie: Pflanzenheilkunde, Homöopathie, Anthroposophie:
Es ist eine Fülle an Medikamenten erhältlich, die als Mittel gegen Alterserscheinungen (“Geriatrika”) angeboten werden und zu den so genannten besonderen Therapierichtungen gehören. Hierzu zählen auch folgende pflanzliche Wirkstoffe, z.B.:
- Ginseng
- Mistel
- Knoblauch
- Weißdorn
- Rhodiola rosea-Pflanze
- Lecithin
Für die oben aufgeführten – wie auch für weitere – Wirkstoffe gibt es keine gesicherten Erkenntnisse, ob sie die gewünschte Wirkung (“Verbesserung der Gedächtnisleistung”) erzielen. Daher ist es besonders wichtig, dass Sie sich als Angehörige bei dem behandelnden Arzt über den möglichen Nutzen der Behandlung, die Vorteile, Nachteile und Kosten jedes Medikaments informieren.
4.5.3 Was hilft bei problematischen Verhaltensweisen, die eher im seelischen Bereich liegen (nichtkognitive Störungen)?
Im Verlauf der Demenzkrankheit kommt es durch die Abbauprozesse im Gehirn zu typischen Störungen der Denkleistung und der Merkfähigkeit. Bei den meisten Menschen mit Demenz treten zusätzlich ausgeprägte Verhaltensauffälligkeiten auf, die nicht nur für den Patienten unangenehm sind, sondern auch bei Angehörigen und Pflegenden zu Frustration führen.
Typisch sind:
- Unruhe
- Aggression und Streitsüchtigkeit
- Argwohn / Verdächtigung anderer
- Halluzinationen, Wahnvorstellungen
- Schlaflosigkeit
- Rastloses Herumlaufen
Diese Verhaltensauffälligkeiten gehören zwar auch zum Krankheitsbild der Demenz, können jedoch durch folgende Umstände ausgelöst oder verstärkt werden:
- Körperliches Unwohlsein
- Medikamentennebenwirkungen
- Chronische Schmerzen
- Entzündungskrankheiten
- Ernährungsmangel
- Flüssigkeitsmangel
- Vermindertes Hör- und Sehvermögen
Oft kann eine Veränderung der sozialen oder häuslichen Umgebung helfen, wie zum Beispiel regelmäßige Mahlzeiten, häufiges Anbieten von Getränken oder ausreichende Lichtquellen, Beschäftigung am Tage, damit Nachts geschlafen wird (Schlafhygiene) (siehe auch 5.1). Auch eine (neue) Brille oder ein Hörgerät können die Situation verbessern. In manchen Fällen müssen jedoch Dosierungen von Medikamenten geändert oder neue Medikamente eingesetzt werden.
4.5.4 Welche Medikamente helfen bei problematischen Verhaltensweisen?
Auf die oben beschriebenen, eher im seelischen Bereich liegenden Verhaltensänderungen, die für Betroffene, Angehörige und Pflegende problematisch sind, sollte man zunächst mit Änderungen im sozialen und häuslichen Umfeld reagieren (siehe 4.5.1 und 5.1). Auch pflegerische Verbesserungen und Hilfen können manche Verhaltensweisen mildern. Gelingt auf diese Weise keine zufrieden stellende Verbesserung, kann Ihr Arzt – je nach Verhaltensauffälligkeit – unterschiedliche Medikamente verschreiben; beispielsweise so genannte Neuroleptika (z.B. Risperdal®).Wie alle Medikamente, so können auch diese Medikamente Nebenwirkungen hervorrufen; z.B. erhöht Risperdal® das Risiko für das Auftreten von Schlaganfällen. Der behandelnde Arzt wird üblicherweise mit der kleinsten Dosis beginnen und diese, wenn nötig, langsam steigern.
Grundsätzlich gilt: Neu auftretende Verschlechterungen können immer auch mit Nebenwirkungen eines Medikaments zu tun haben.
5. Was kann ich als Angehöriger tun?
Mit dem Verlauf der Demenzerkrankung verändern sich das Verhalten und die Persönlichkeit der Betroffenen, ohne, dass sie selber etwas dagegen tun können. Dies ist für Angehörige traurig und belastend. Gleichzeitig nehmen die alltäglichen Schwierigkeiten im Zusammenleben zu. Medikamente sollten bei der Behandlung problematischer Verhaltensweisen trotzdem erst der letzte Schritt sein.
Da bei Demenzkranken das Neulernen und das Erinnern besonders beeinträchtigt sind, können sie durch ein zu ehrgeiziges Training überfordert werden. Therapeuten und Angehörige sollten versuchen, die begrenzten Bewältigungsmöglichkeiten der Betroffenen zu berücksichtigen, ohne sie zu unterfordern. Man sollte versuchen, die Fähigkeiten zu fördern, die noch am besten erhalten sind. Praktische Tätigkeiten, gemeinsames Singen und Musizieren, Basteln oder Spaziergänge vermitteln Freude und lassen so den Betroffenen am Leben teilhaben. Dies wirkt sich meist positiv auf die Gedächtnisleistung aus und kann die Lebensqualität der Patienten verbessern.
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Schulung und Beratung für Angehörige:
Angehörige, die einen Demenzkranken pflegen und begleiten, fällt der Umgang mit den Verhaltensänderungen leichter, wenn sie frühzeitig und gründlich über das Krankheitsbild und die damit eingehenden möglichen Veränderungen informiert werden. Informationsprogramme der Alzheimer Gesellschaft können hierbei sehr hilfreich sein.
5.1 Häusliche Umgebung und Tagesrhythmus
Umgebungsänderungen:
Bei Demenzkranken verschlechtern sich Gedächtnisleistung, Denkvermögen und schließlich auch das praktische Geschick. Dadurch entsteht – selbst in wohlbekannter häuslicher Umgebung – eine Orientierungslosigkeit. Es ist leicht nachzuvollziehen, dass grundlegende Veränderungen der gewohnten Umgebung diese Orientierungslosigkeit noch verstärken können. Trotzdem können kleine Umgebungsänderungen sinnvoll sein und sich mildernd auf die Unruhe und Verwirrtheit des Betroffenen auswirken. Dazu gehören z.B.
- ausreichende Lichtquellen
Vermeiden von Lärm und lauten Nebengeräuschen (z.B. Haushaltsgeräten)
Beseitigen von Gefahrenquellen (z.B „Stolperfallen“ durch hoch stehende Teppichränder) - Tagesrhythmus
Demenzpatienten sollten so lang wie möglich aktiv an den täglichen Arbeitsprozessen teilnehmen. Dabei hilft ein geregelter, gleich bleibender Tagesablauf. Die Einhaltung eines solchen Tagesrhythmus bei der alltäglichen Arbeit (Baden, Anziehen, Kochen, Aufräumen und Waschen) gibt Halt und kann sich positiv auf Depression und Unruhezustände auswirken. Hilfreich sind auch in den Tagesablauf eingeplante Freizeitaktivitäten, wie Singen, Musizieren, Malen und Spazieren gehen. Sie geben dem Betroffenen die Chance, seine Gefühle ohne Worte auszudrücken. Dies ist in einem Stadium, in dem die Verständigung über die Sprache immer schwieriger wird, besonders hilfreich.
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Worauf ist im Zusammenleben mit Demenzkranken besonders zu achten? – 10 Grundregeln
Die Schwierigkeiten im Zusammenleben mit Betroffenen werden bestimmt vom Stadium der Demenzkrankheit, von den äußeren Umständen, von der Lebensgeschichte des Patienten, aber auch von der Persönlichkeit und dem Verhalten der Bezugsperson. Daher können auch die Lösungen für die Probleme nur im Einzelfall gefunden werden.
Die folgenden 10 Grundregeln haben sich aber in vielen Familien bewährt:
- Informieren Sie sich gründlich über die Demenzkrankheit. Dieses Wissen gibt Ihnen Sicherheit und bewahrt Sie davor, Unmögliches von sich zu verlangen.
- Versuchen Sie nicht, den Betroffenen zu ändern bzw. ihn mit Argumenten zu überzeugen. Demenzerkrankte folgen einer anderen Logik als Nicht-Betroffene.
- Halten Sie die Eigenständigkeit des Betroffenen so weit wie möglich aufrecht. Sie ist entscheidend für sein Selbstwertgefühl. Allerdings gibt es Gefahrenquellen, wie Gas- oder Elektrogeräte, Treppen oder glatte Badewannen, die gesichert werden sollten (Broschüre „Technische Hilfen für Demenzkranke“ bei der Deutschen Alzheimer Gesellschaft http://www.deutsche-alzheimer.de)
- Behalten Sie nach Möglichkeit die Gewohnheiten des Patienten bei. Die vertrauten Menschen und Dinge der Vergangenheit sind für ihn wichtig.
- Sorgen Sie für einen überschaubaren und gleich bleibenden Tagesablauf. Sicherheit und Orientierung geben Sie dem Betroffenen durch Hinweisschilder, farbige Kennzeichnungen, gut ablesbare Uhren, eine Tafel mit den wichtigsten Mitteilungen und eine ausreichende nächtliche Beleuchtung.
- Suchen und nutzen Sie die Persönlichkeitsbereiche und Fähigkeiten des Betroffenen, die von der Krankheit verschont geblieben sind.
- Verwenden Sie Blicke, Gesten und Berührungen, gemeinsames Singen oder Spazieren gehen als Mittel des Kontaktes, besonders wenn die sprachliche Verständigung immer schwieriger wird. So werden Ihnen die meisten Demenzpatienten z.B. das Streicheln der Hände mit einem Lächeln danken.
- Lösen Sie Konflikte durch Ablenkung oder Zuwendung. Vermeiden Sie nutzlose Wortgefechte.
- Reagieren Sie gelassen auf Ängstlichkeit und Hinterherlaufen, aber auch auf Aggressivität. Diese Verhaltensweisen entspringen aus der Ratlosigkeit und Verunsicherung des Betroffenen. Sie sind keine bewusste Schikane und oft nur von kurzer Dauer.
- Vergessen Sie bei der berechtigten Sorge für den Betroffenen nicht sich selbst. Sie müssen mit Ihren Kräften haushalten. Sie handeln nicht selbstsüchtig, wenn Sie sich Erholungspausen verschaffen, in denen Sie Ihren eigenen Interessen nachgehen. Es ist auch kein Eingeständnis eigener Unzulänglichkeit, wenn Sie Hilfe von außen holen. Suchen Sie auch das Gespräch mit Menschen, die in derselben Lage sind wie Sie. Dieser Erfahrungsaustausch gibt Ihnen wertvolle Anregungen und stärkt ihre Zuversicht.
5.2 Worauf ist bei der persönlichen Pflege und Hygiene von Demenzkranken zu achten?
Menschen mit Demenz benötigen häufig Hilfe bei der persönlichen Pflege und Hygiene. Der Verlust der Eigenständigkeit kann für die Betroffenen sehr unangenehm sein, besonders wenn es sich um die Intimpflege handelt. Für die Pflegenden stellt die Intimpflege eine doppelte Herausforderung dar. Zum einen überschreiten sie die intimen Grenzen ihres Angehörigen und zum anderen müssen sie mit den Widerständen der Betroffenen umgehen.
Im Folgenden werden einige Tipps zur Erleichterung der persönlichen Pflege bei Demenzkranken genannt.
Baden:
Viele Demenzkranke lassen sich nicht gerne baden. Sie äußern ihren Widerstand, indem sie z.B. schreien oder um sich schlagen. Vielleicht haben sie Angst vor dem Baden, empfinden es als unangenehm oder auch schmerzhaft. Pflegende können das Baden für die Betroffenen erleichtern, indem sie versuchen, mögliche Unannehmlichkeiten auszuschalten:
- Vermeiden Sie Kälte, sorgen Sie für eine angenehme Raumtemperatur.
- Sorgen Sie für eine angenehme Wassertemperatur (nicht zu heiß!).
- Sprechen Sie mit dem Betroffenen, sagen Sie immer im Voraus, was Sie machen.
- Geben Sie dem Betroffenen ein sicheres Gefühl durch z.B. rutschfeste Badeschuhe und Haltegriffe in der Badewanne.
- Respektieren Sie das Schamgefühl. Manche Betroffene sind sich ihrer Nacktheit sehr bewusst und fühlen sich sicherer, wenn sie ein Handtuch während des Badens vor ihren Körper halten können.
- Vermeiden Sie, dass beim Haare waschen Wasser in die Augen des Betroffenen gelangt, verwenden Sie evtl. zum Schutz ein Handtuch.
- Manchmal kann es am besten sein, ganz auf das Baden zu verzichten. Duschen reicht meistens aus und ist auch im Sitzen möglich.
Toilettengang:
Menschen mit Demenz leiden häufig unter einem unfreiwilligen Abgang von Harn und Stuhl (Inkontinenz). Dies kann auch durch Medikamente oder Stress verursacht sein. Wenn eine Inkontinenz neu auftritt, sollten mögliche Ursachen, wie z.B. eine Blasenentzündung oder Medikamentennebenwirkungen, vom Arzt ausgeschlossen werden.
Hilfreich für die Betroffenen sind:
- Optische Orientierungshilfen an der Badezimmertür, auf dem Badezimmerboden und auf dem Toilettenrand. Sie helfen dem Betroffenen, sich zurecht zu finden.
- Vermeiden Sie im Badezimmer Gegenstände, die mit einer Toilette verwechselt werden könnten, wie z.B. Eimer und Körbe.
- Führen Sie ein Inkontinenz-Tagebuch. Versuchen Sie herauszufinden, wann die „Unfälle“ passieren. Wenn sie in regelmäßigen Abständen auftreten, sollten Sie den Betroffenen rechtzeitig zum Toilettengang ermutigen.
- Stellen Sie sicher, dass der Betroffene keine Probleme beim Entkleiden hat.
Zahnpflege:
Eine sorgfältige Mundhygiene ist manchmal eine große Herausforderung für die Betroffenen. Das Zähneputzen wird oft dadurch erschwert, dass die Betroffenen Hilfe von Pflegenden ablehnen. Sie können dem Betroffenen helfen, indem Sie:
- Kurze, einfache Anweisungen geben.
- Mit Hilfe eines Spiegels das Zähnebürsten vorzeigen.
- Auf eine regelmäßige Zahnpflege nach jeder Mahlzeit achten. Reinigen Sie täglich den Mundgaumen und die Zahnprothesen. Wenn Schwierigkeiten auftreten, weil der Betroffene den Mund nicht öffnet, können Sie beim Zahnarzt Hilfsmittel bekommen.
- Bedenken Sie, dass Zahn- oder Mundprobleme zu Schmerzen beim Essen oder sogar zur Verweigerung der Nahrungsaufnahme führen können.
- Setzen Sie sich bei Problemen der Mundhygiene mit dem Zahnarzt in Verbindung.
An- und Auskleiden:
Kleidung ist ein Ausdruck der Persönlichkeit und ist für die Selbstachtung von Bedeutung. Daher ist es wichtig, dass der persönliche Geschmack der Betroffenen bei der Kleiderwahl berücksichtigt wird. Folgendes kann für den Menschen mit Demenz das An- und Ausziehen erleichtern:
- Vereinfachen Sie die Auswahl, indem Sie den Betroffenen zwischen jeweils zwei Möglichkeiten auswählen lassen.
- Bereiten Sie das Ankleiden vor. Legen Sie die Kleidung in der Reihenfolge übereinander, in der sie angezogen werden soll.
- Wählen Sie einfache und bequeme Kleidung aus. Vermeiden Sie Kleidung, die der Betroffene nicht selber an- und ausziehen kann.
Wenn möglich, sollten die persönlichen Gewohnheiten der Menschen mit Demenz bei allen Aktivitäten der persönlichen Pflege berücksichtigt werden. Wenn Sie dem Betroffenen helfen, versuchen Sie geduldig und kreativ zu sein. Vorgehensweisen, die gestern noch erfolgreich waren, funktionieren heute vielleicht nicht mehr – seien Sie daher nachsichtig und flexibel (auch wenn dies sicher leichter gesagt als getan ist)! Ablehnendes Verhalten und Wutausbrüche sind zumeist nicht persönlich gemeint, sondern drücken eine allgemeine Unsicherheit aus.
5.3 Wie redet man über Demenz?
Im Gespräch mit Angehörigen und Freunden sollte deutlich gemacht werden, dass Demenz nicht Teil eines normalen Alterungsprozesses, sondern eine nicht vererbbare Krankheit des Gehirns ist, die das Gedächtnis, das Denkvermögen und das Verhalten beeinflusst. Je mehr Informationen Angehörige und Freunde über die Demenzkrankheit haben, um so leichter fällt es ihnen, die Betroffenen und die Pflegenden zu unterstützen.
5.4 Welche Hilfe gibt es für die Familien?
Die Demenzkrankheit bürdet den pflegenden Angehörigen eine kaum vorstellbare Last auf. Sie kämpfen über viele Jahre mit Verhaltensweisen, bei denen alle gewohnten Lösungsstrategien versagen. Sie haben oftmals rund um die Uhr Aufgaben der Betreuung und Pflege zu leisten, die sehr belastend sind und bei denen sie wenig Unterstützung finden. Schließlich müssen sie Abschied nehmen von einem geliebten Menschen. Dieser Belastung kann auf Dauer niemand ohne Unterstützung und Entlastung standhalten.
Beratungsstellen
In Beratungsstellen, z.B. der Alzheimer Gesellschaften, gibt es die Möglichkeit, sich von Fachleuten (Sozialarbeiter, Psychologen) über das Krankheitsbild und die damit verbundenen Aspekte, wie rechtliche und finanzielle Fragen, Unterstützungsangebote usw. in Einzelgesprächen zu informieren und beraten zu lassen.
Angehörigengruppen
Selbsthilfegruppen und Beratungsgruppen, die von Fachleuten geleitet werden, dienen dem Austausch von persönlichen Erfahrungen. Sie vermitteln Kenntnisse über die Krankheit, Anregungen und Ratschläge. Auch bieten sie die Möglichkeit, Gefühle der Hoffnungslosigkeit, Trauer, Schuld, Ärger oder Enttäuschung in einer Atmosphäre der Anteilnahme und des Verständnisses frei zu äußern.
Ambulante Hilfen
Einzelne pflegerische Aufgaben werden von Einrichtungen der ambulanten Altenhilfe, von Sozialstationen, Hauspflegevereinen und Nachbarschaftshilfen übernommen. Auf die speziellen Bedürfnisse von Demenzpatienten und deren Angehörige, vor allem auf zeitaufwendige Dienstleistungen sind sie aber in der Regel nicht eingerichtet.
An einigen Orten gibt es bereits sog. Helferinnenkreise, die geschulte ehrenamtliche Helferinnen gegen eine Aufwandsentschädigung zur Entlastung in die Haushalte der betroffenen Familien schickt. Erkundigen Sie sich bei Ihrer regionalen Alzheimer Gesellschaft.
Betreuungsgruppen
In Betreuungsgruppen werden Demenzkranke für einen Nachmittag von ehrenamtlichen Helfern und Helferinnen und einer Fachkraft betreut, damit die Angehörigen für ein paar Stunden entlastet sind. Diese Betreuungsform wurde in den 90er Jahren von Angehörigen selbst entwickelt und ist noch nicht überall verfügbar. Erkundigen Sie sich bei der Alzheimer Gesellschaft (siehe unten) über regionale Angebote.
Tagespflege
Einrichtungen der Tagespflege sind für Patienten geeignet, die tagsüber von ihren Angehörigen nicht betreut werden können, abends und am Wochenende aber in die Familie zurückkehren. Das Programm solcher Einrichtungen umfasst meist Beschäftigung in der Gemeinschaft sowie körperliche und geistige Aktivierung. Trotz des täglichen Wechsels der Umgebung gelingt den meisten Patienten die Eingewöhnung. Bisher gibt es zu wenige Tagespflegeeinrichtungen mit beschützenden Bedingungen (geschlossene Tür), wie sie für Patienten mit ausgeprägten Orientierungsstörungen und Weglaufneigung erforderlich sind.
Heimpflege
Wenn die häusliche Betreuung auch mit zusätzlichen Hilfen nicht mehr aufrechterhalten werden kann, kommt in der Regel nur die Unterbringung auf einer beschützenden Station in Frage, die man nicht unbemerkt verlassen kann. Gute Heime sollten die Privatsphäre des Patienten schützen, seine Selbstständigkeit fördern, für geistige Aktivierung und körperliche Fitness sorgen und die Angehörigen auf Wunsch in die Pflege mit einbeziehen.
Kurzzeitpflege
Manche Heime bieten die Möglichkeit, Demenzpatienten vorübergehend für einige Wochen aufzunehmen. Davon können Angehörige Gebrauch machen, wenn sie verreisen möchten oder selber krank sind.
5.5 Wie werden die Hilfen finanziert?
Die Pflege von Demenzpatienten ist sehr zeitintensiv und somit teuer. Es gibt die Möglichkeit, Leistungen über die Pflegeversicherung zu beziehen. Das Pflegeleistungs-Ergänzungsgesetz (PflEG) sieht außerdem seit dem 1.4.2002 zusätzliche Leistungen in Höhe von bis zu 460 € im Jahr für „Pflegebedürftige mit erheblichem allgemeinem Betreuungsbedarf”, also vor allem Demenzkranke, vor. Kosten, die Sie nicht selber tragen können, werden vom Sozialamt übernommen.
Anspruch auf Leistungen
Die meisten Demenzpatienten brauchen spätestens ab dem mittleren Stadium Hilfe beim An- und Auskleiden, bei der Körperpflege, der Führung des Haushalts und bei anderen alltäglichen Aufgaben. Wird diese Hilfe für mehr als 1,5 Stunden täglich benötigt, sollte ein Antrag auf Leistungen bei der Pflegekasse gestellt werden.
Drei Pflegestufen
Geht ein Antrag auf Leistungen bei der Pflegekasse ein, wird der medizinische Dienst der Krankenkassen (MDK) beauftragt, im Rahmen eines Hausbesuches den Umfang der Pflegebedürftigkeit festzustellen. Stellt der Gutachter eine Pflegebedürftigkeit im Sinne des Pflegeversicherungsgesetzes fest, wird der Betroffene einer von drei Pflegestufen zugeordnet. Die Leistungen steigen mit Höhe der Pflegestufe. Demenzpatienten müssen wegen Orientierungsstörungen häufig bereits ab dem mittleren Stadium rund um die Uhr beaufsichtigt und gepflegt werden. Die Beaufsichtigung findet allerdings bei der Einstufung in die Pflegeversicherung keine Beachtung, daher erfolgt oft keine Einstufung in die höchste Pflegestufe.
Falls Sie die Einstufung als ungerechtfertigt empfinden, sollten Sie sich Beratung suchen und ggf. einen Widerspruch einlegen.
Die drei Pflegestufen haben allerdings nichts mit den drei Stadien der Demenz zu tun!
Arten der Leistung
Wenn die Angehörigen die Pflege selbst übernehmen, haben sie Anspruch auf bis zu 665 € (in der Stufe III) Pflegegeld im Monat. Man nennt dies „Geldleistung“. Falls die Angehörigen die Pflege nicht selbst durchführen können, besteht die Möglichkeit, einen ambulanten Dienst mit der Pflege zu beauftragen. In diesem Fall spricht man von einer „Sachleistung“. Auch die Betreuung in einer Tagespflegeeinrichtung fällt unter die Sachleistungen. Fallen die Pflegepersonen wegen Krankheit oder Urlaub aus, können zusätzlich zu den oben genannten Ansprüchen Leistungen für Kurzzeit- oder Urlaubspflege zu Hause geltend gemacht werden.
Pflegesachleistungen bei häuslicher Pflege pro Monat in Euro | Pflegegeld bei häuslicher Pflege pro Monat in Euro | Stationäre Pflege pro Monat in Euro | ||
Stufe I: erheblich pflegebedürftig, Hilfe einmal am Tag |
384,- | 205,- | 1023,- | |
Stufe II: schwerpflegebedürftig, Hilfe dreimal am Tag |
921,- | 410,- | 1279,- | |
Stufe III: schwerstpflegebedürftig, Hilfe täglich rund um die Uhr, auch nachts |
1432,- in Härtefällen bis 1918,- |
665,- | 1432,- in Härtefällen bis 1688,- |
Zusätzlich zu den oben aufgeführten Leistungen können – vorausgesetzt, es erfolgte die Einstufung in eine der drei Pflegestufen und der medizinische Dienst hat festgestellt, dass es sich um einen Pflegebedürftigen „mit erheblichem allgemeinen Betreuungsbedarf” handelt – jährlich bis zu 460 € für die Inanspruchnahme von Entlastungsangeboten von den Pflegekassen erstattet werden. Als Entlastungsangebote kommen zum Beispiel zusätzliche, nicht durch die Pflegesachleistung abgedeckte Inanspruchnahme von Tages- und Nachtpflege, aber auch – und das ist neu – Besuche von Betreuungsgruppen der Alzheimer Gesellschaften und die Inanspruchnahme von anerkannten Helferkreisen in Frage. Diesen zusätzlichen Betreuungsaufwand von bis zu 460 € pro Jahr kann man seit dem 1.4.2002 im Erstattungsverfahren, d.h. gegen Vorlage entsprechender Belege, erhalten. Wenn der Betrag nicht voll ausgeschöpft wird, kann er ins nächste Jahr übertragen werden.
5.6 Welche rechtlichen Probleme können auftreten?
Die häufigsten rechtlichen Probleme im Zusammenhang mit der Demenzkrankheit entstehen daraus, dass die Patienten immer weniger im Stande sind, persönliche Angelegenheiten zu besorgen, Rechtsgeschäfte abzuschließen und Willenserklärungen abzugeben, während gleichzeitig ihre Fähigkeit schwindet, die eigenen Leistungsgrenzen zu erkennen.
Rechtliche Dokumente, in denen die Wünsche und die Entscheidungen des Demenzkranken dargelegt werden, sind äußerst wichtig. Hierdurch können Angehörige Gesundheits- und finanzielle Fragen im Sinne des Betroffenen regeln.
Solange der Betroffene noch seinen Willen äußern kann, sollte er aktiv in Entscheidungsprozesse eingebunden werden.
5.6.1 Geschäftsfähigkeit:
Wer an Demenz leidet, kann durchaus geschäftsfähig sein. Es kommt darauf an, ob der Patient die Art und Tragweite seiner Entscheidung in Bezug auf das jeweilige Rechtsgeschäft einschätzen kann. Von besonderer Bedeutung ist die Frage der Geschäftsfähigkeit bei der Abfassung eines Testaments. Um späteren Anfechtungen vorzubeugen, ist es ratsam, die so genannte Testierfähigkeit durch einen Facharzt (Psychiater) prüfen und bestätigen zu lassen.
5.6.2 Willensfähigkeit:
Auch die Willensfähigkeit ist durch die Demenzkrankheit nicht automatisch aufgehoben, beispielsweise in Bezug auf die Teilnahme an einem medizinischen Heilversuch (wissenschaftliche Studie). Hier ist wichtig, ob der Patient Vorteile und Nachteile gegeneinander abwägen und zu einer Willensentscheidung kommen kann.
5.6.3 Führen von Kraftfahrzeugen:
Schon im frühen Stadium der Demenzkrankheit sind das Reaktionsvermögen sowie die Einschätzung von Entfernungen und Geschwindigkeiten meist erheblich eingeschränkt. Deshalb sollten Betroffene kein Kraftfahrzeug führen.
Zuständig in Zweifelsfällen ist das örtliche Straßenverkehrsamt. Dort gemeldete Autofahrer müssen sich einer psychologischen Testung unterziehen, die über die Fahrerlaubnis entscheidet.
Allerdings müssen die Autofahrer in aller Regel selbst die Kosten für diese Testung übernehmen (ggf. ein dreistelliger Eurobetrag). Wegen der ärztlichen Schweigepflicht ist es immer besser, wenn die Angehörigen die Meldung ans Straßenverkehrsamt machen. In besonderen Fällen kann der Arzt erwägen, ob er das Straßenverkehrsamt anonym informieren möchte.
5.6.4 Haftpflicht:
Die Demenzkrankheit geht mit einer erhöhten Wahrscheinlichkeit von häuslichen Unfällen einher. Bestehende Haftpflicht- und Hausratversicherungen werden durch das Auftreten der Krankheit nicht berührt. Die Versicherungen sollten aber in jedem Fall über die Krankheit informiert werden. Wenn bisher nicht vorhanden, wird der Abschluss eines geeigneten Versicherungsschutzes unbedingt empfohlen.
5.6.5 Schwerbehindertenausweis:
Demenzpatienten haben Anspruch auf Anerkennung als Schwerbehinderte. Der Ausweis wird beim Versorgungsamt beantragt. Er bringt unter anderem steuerliche Vorteile und Ermäßigungen bei öffentlichen Verkehrsmitteln.
5.6.6 Vorsorgemaßnahmen für den Notfall:
Das Betreuungsrecht regelt die Vertretung der Patienten in persönlichen Angelegenheiten, die sie nicht mehr selbst erledigen können. Dazu gehören die Verwaltung des Vermögens oder die Entscheidung über die Aufnahme in ein Pflegeheim. Eine Betreuung kann von einem Angehörigen oder von einer fremden Person übernommen werden. Für eine Betreuung sind folgende Schritte notwendig:
- zunächst benötigt man ein ärztliches Gutachten über Grund, Umfang und voraussichtliche Dauer der Betreuung.
- dann wird beim zuständigen Vormundschaftsgericht ein Antrag auf eine Betreuung gestellt.
- das Gericht entscheidet über die Notwendigkeit der Betreuung unter Berücksichtigung des oben genannten Gutachtens und nach einer persönlichen Anhörung des Patienten.
Eine Betreuung durch Fremde kostet Geld, deswegen müssen dem Gericht – im Falle einer Betreuung durch Fremde – die Vermögensverhältnisse des Patienten offen gelegt werden. Des Weiteren vergeht viel Zeit, bis am Ende des oben aufgeführten Verfahrens ein Betreuer vom Gericht bestellt wird. Es empfiehlt sich daher, rechtzeitig alle anderen Möglichkeiten der Vertretung zu nutzen. Folgende Möglichkeiten stehen dem Betroffen zur Verfügung:
5.6.7 Vorsorgevollmacht:
Eine solche Vollmacht empfiehlt sich nur dann, wenn der Betroffene eine Person hat, der er sein volles Vertrauen schenkt (sonst s.u. Betreuungsverfügung).
Im Rahmen dieser Vollmacht können sowohl wirtschaftliche als auch persönliche Aspekte geregelt werden. Hierzu gehört insbesondere die Regelung von vermögensrechtlichen Angelegenheiten sowie der Gesundheitsfürsorge. Der Bevollmächtigte hat das Recht, alle Regelungen, die aufgrund des Notfalls entstehen, für den Betroffen zu treffen. Hierzu gehört auch das Recht auf Einsicht in die Krankenakte sowie ein weitgehendes Mitbestimmungsrecht in Bezug auf notwendige Heilbehandlungen.
Durch diese Form der Vollmacht wird der Bevollmächtigte sofort handlungsfähig.
5.6.8 Betreuungsverfügung:
Eine solche Verfügung sollte getroffen werden, falls der Betroffene im Vorfeld nicht bereits einer bestimmten Person eine Vollmacht übertragen möchte. Im Rahmen der Betreuungsverfügung hat der Betroffene die Möglichkeit, dem Vormundschaftsgericht eine bestimmte Betreuungsperson vorzuschlagen. Das Gericht ist grundsätzlich an diesen Vorschlag gebunden. Der daraufhin durch das Vormundschaftsgericht ernannte Betreuer steht unter der Aufsicht des Vormundschaftsgerichts.
5.6.9 Patientenverfügung (auch Patiententestament genannt):
Die Patientenverfügung richtet sich an den jeweiligen behandelnden Arzt. Sie beinhaltet Ihre Wünsche im Hinblick auf eine medizinische Behandlung im Falle eines Notfalls. Sie können dort z.B. Regelungen treffen für den Umfang von Wiederbelebungs- und lebenserhaltenden Maßnahmen, aber auch das Besuchsrecht Ihrer Angehörigen festlegen. Solange die Möglichkeit besteht, kann der Betroffene seinen Willen über den Umgang mit z.B. lebensverlängernden Maßnahmen schriftlich festhalten. Allerdings ist zu beachten, dass sich der mutmaßliche Wille des Kranken im Verlauf der Erkrankung verändern kann. Bei einer Entscheidung über Behandlungen in einem Stadium der Erkrankung, in der der Patient seinen Willen nicht mehr selbst äußern kann, sollte auch bei Bestehen eines Patiententestaments eine Entscheidung, z.B. über das Legen einer Magensonde, über die Behandlung mit Antibiotika, oder einen Behandlungsabbruch mit Angehörigen und Freunden des Kranken sorgfältig besprochen werden.
5.7 Was kann man im Notfall tun?
Ein Notfall ist
- eine starke Verletzung, z.B. nach einem Sturz
- Atembeschwerden, die neu auftreten und/oder sich rasch verschlechtern (besonders, wenn diese Atembeschwerden mit einer Erhöhung der Körpertemperatur (=Fieber) auftreten. Alte Leute bekommen oft kein hohes Fieber. Deshalb kann auch eine leicht erhöhte Körpertemperatur, wenn sie zusammen mit Atembeschwerden auftritt, für eine Lungenentzündung sprechen.
- Neu und in relativ kurzer Zeit auftretende Bewusstseinsstörungen (der Betroffene ist plötzlich nicht mehr ansprechbar und reagiert nicht auf Berührungen).
- Eine ungewöhnlich schnelle Verschlechterung des allgemeinen Zustands oder bereits bestehender Krankheitszeichen (dies gilt vor allem für Patienten mit vaskulärer Demenz, die bereits einen oder mehrere, vielleicht sogar unbemerkte Schlaganfälle erlitten haben. Eine schnelle Verschlechterung bereits bestehender Beeinträchtigungen – zum Beispiel Lähmungen – kann für einen erneuten Infarkt sprechen).
- Wenn ein Notfall eintritt, bleibt wenig Zeit zum Überlegen. Betroffene und Angehörige sollten im Vorfeld abklären, was bei einem Notfall zu tun ist.
- Notieren Sie die Telefonnummer, unter der Sie im Notfall Hilfe erreichen können (Pflegedienst, Hausarzt).
- Notieren Sie die Telefonnummer des ärztlichen Notdienstes.
- Betroffene und Angehörige sollten im Vorfeld darüber sprechen, ob sie im Falle eines lebensbedrohlichen Notfalls eine intensivmedizinische Behandlung (z.B. künstliche Beatmung) akzeptieren. Dokumentieren Sie die Entscheidung schriftlich und legen Sie das Dokument dem Arzt vor.
- Fertigen Sie Kopien der wichtigsten Patientendokumente (Krankenhausentlassungsbriefe) an.
- Führen Sie eine aktuelle Medikamentenliste (Wie heißt das Medikament? In welcher Menge (=Dosis) wird es eingenommen? Wie oft wird es eingenommen?).
6. Zusammenfassung
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Patientenleitlinien – Copyright © 2008 Medizinisches Wissensnetzwerk evidence.de der Universität Witten/Herdecke.